„Wir sind gekommen, um zu bleiben“

5 Jahre Kulturhofsommer Villach. Das spritzige Sommertheater in der Draustadt ist noch nicht ausgetrocknet. Der historische Innenhof in der Lederergasse ist auch heuer labende Oase in der Theaterwüste. Durchaus nicht selbstverständlich. “Die Sommermonate sind in Villach, was Theater betrifft, tot”, brachte es die junge Kärntner Schauspielerin Sabine Kranzelbinder auf den Punkt. Sie ist künstlerische Leiterin des Theatervereins Rakete, der hinter der Veranstaltung steht, die das Theatersommerloch füllt.

Mittlerweile haben die Menschen aus ganz Österreich bemerkt, dass es dort Leben gibt. Sie genießen Jahr für Jahr zeitgeistiges und junges Theater in dieser besonderen Kulisse. Trotz aller Professionalität und trotz gesteigerter Wertschätzung seitens der Villacher Stadtpolitik, ist es stets das Geld, an dem es fehlt. Das verlangt einiges an Improvisation im kleinen Do-it-Yourself-Betrieb. “Wir können uns kein Personal für jede Abteilung leisten. Bei uns beginnt der Tag mit Transportieren, Plakateaufkleben, Flyerverteilen und endet mit Selbstschminken und Frisieren, bevor es rauf auf die Bühne geht für die Vorstellung. Danach wartet das Abbauen. Bei uns muss einfach jeder mit anpacken, sonst wird das nix.”

5 Jahre sind Zeit zur Entwicklung. “Wir sind erwachsener geworden. Reifer. Ernüchterter. Aber immer nicht vernünftig! Darum machen wir auch weiter, selbst wenn uns die Kärntner Landespolitik zu viel zum Sterben und zu wenig zum Arbeiten gibt.” Die Worte von Markus Schöttl sind klar. Zunächst noch auf der Bühne des Kulturhofsommers aktiv, führt er zum Jubiläum Regie – beim Stück Tür auf, Tür zu – Eine knallende Satire in 5 Akten der deutschen Theaterautorin Ingrid Lausund, die auch die Drehbücher zu Fernsehserie Der Tatortreiniger (NDR) und zur umstrittenen Filmkomödie Er ist wieder da verfasst hat. Um eine Dame, Anneliz (Sabine Kranzelbinder) mit Namen und zwei Herren (Miha Kristof & Mathias Krispin Bucher).

Wenn eine Tür zufällt, öffnet sich eine andere. Sagt der Volksmund. Aber was, wenn es nur die eine Tür gibt? Und man davor steht: ohne Schlüssel, ohne Codewort und Passierschein, ohne volksmündliche Einladung oder die geringste Ahnung, wie man überhaupt hinein kommt? Dabei war man doch nur kurz draußen! Und drinnen wird man schon vermisst… Oder etwa nicht?!? Wo endet die Willkommenskultur, wenn Kultur nicht mehr leistbar ist? Nur mehr existent zur Sichtbarmachung einer Grenze. Als Airbag vor dem zwischenmenschlichen Zusammenstoß? Der Kulturhofsommer Villach zeigt in seinem 5. Jahr ein absurdes Kammerspiel für eine sprechende Tür, einen geschrumpften Chor und eine Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs. Ein humorvolles Drama übers „Dazugehörenwollen“, „Dabeiseinmüssen“, Händeschütteln und Bussi-Bussi-geben. Ein kluges und doppelbödiges Macht-Spiel über die Mechanik sozialer Ausschlussmechanismen einer Gesellschaft, die nur Sieg oder Niederlage kennt: „in“ oder „out“. Smalltalken oder Scheitern. Draußen oder Drinnen.

Ein Stück passend zum Jubiläum. “Es ist quasi ein Zerrspiegel unserer Erfahrungen der letzten Jahre im hiesigen Kulturbetrieb. Wir machen sozusagen eine Familienaufstellung für den Kulturhofsommer. Unser Weg vom Draußen ins Drinnen. Oder umgekehrt? In Zeiten von Obergrenzen, baulichen Maßnahmen und Fackelzügen besorgter Bürger in einem bankrotten Bundesland, das noch immer zwischen Hoch- und Volkskultur klar seine Präferenzen und Grenzen zieht, scheint uns Ingrid Lausunds bissige Sprache, ihre treffenden Dialoge und grotesken Szenen ein probates Mittel um die Ausschlussmechanismen einer Gesellschaft zu entlarven, die nur Sieg oder Niederlage kennt: in oder out. Smalltalken oder Scheitern. Dafür oder Dagegen.” Markus Schöttl ist schon in die Materie hineingetaucht. Bei den Proben wird der Lausund’sche Sprachkosmos entschlüsselt. In einem Drama mit Musik übers Dazugehörenwollen, Dabeiseinmüssen, Händeschütteln und Bussi-Bussi-geben.

Nun geht die Tür auf für das 5. Jahr Kulturhofsommer. Nach hartem Kampf um seinen Platz im sommerlichen Kärntner Kulturangebot, ist er mittlerweile Fixum. In kleiner Besetzung, in schlichtem Gewand, in intimem Rahmen. Aber mit Liebe zum Detail, viel Herz und vor allem Begeisterung. Auch augenzwinkernder Humor entfaltet sich unter dem freien Himmel hinter den Renaissancearkaden. “Wir sind niemandem verpflichtet – außer unserem Publikum. Diese Freiheit hält frisch, kritisch und bei Laune.” So für die Zukunft. Die Worte des Regisseurs reflektieren vorausschauend die Worte von Wir sind Helden: “Wir sind gekommen, um zu bleiben.”

[Klaus Oberrauner, KulturToDate, April 2016]

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